Article Frankfurter Allgemeine Zeitung

Hedgefonds sein und Gutes tun?

Mit einem der letzten Updates des iOS-Betriebssystems führte Apple die Screen Time Control ein. Dies führt Nutzern vor Augen, wie viel Zeit sie mit dem iPhone verbringt. Was viele überrascht: Die App geht auf eine Kampagne zurück, die der Hedgefonds Jana gemeinsam mit dem Pensionsfond California State Teacher's Retirement System Fund geführt hat. Unter dem Titel "Think differently about our kids“ mahnte die Kampagne Sorge um den Umgang mit Smartphones an. Apple reagierte und führte schließlich die Screen Time Control ein.

JANA ist vornehmlich als aggressiver New Yorker Hedgefonds bekannt. Aber seit wann engagieren sich Hedgefonds für gesellschaftspolitische Ziele? Tatsächlich sind sogenannte ESG (Enviromental, Social and Governance)-Kampagnen von Hedgefonds kein Einzelfall mehr. Jüngst setzte die CtW Investment Group durch, dass Amazon die „Rooney Rule“ etabliert, nach der das Unternehmen bei der Auswahl von Kandidaten für neue Geschäftsführungspositionen stets eine Frau berücksichtigen muss. Trillium Asset Management setzte Nike unter Druck, sich mehr für Gender Diversity einzusetzen.

Hedgefonds verfolgen ESG-Kampagnen nicht aus edlen Motiven. Die Kampagnen sind eine Reaktion darauf, dass immer mehr Aktien an Unternehmen von Indexfonds oder institutionellen Investoren kontrolliert werden. Die drei größten Indexfonds verwalten mittlerweile mehr als 20 Prozent des gesamten Werts im US-amerikanischen Börsenindex S&P 500 und sind in über 90 Prozent der Fälle der größte Aktionär amerikanischer Blue-Chip-Unternehmen. Ohne die Unterstützung dieser Aktionärsgruppe können Aktivisten keine ihrer herkömmlichen Kampagnen mehr gewinnen. 
Indexfonds haben jedoch eine andere Anlagestrategie als Hedgefonds. Sie können als „permanentes Kapital“ nicht auf Schwächen oder Stärken im Geschäftsbetrieb reagieren, sondern sind auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung fokussiert. Blackrock betonte jüngst in einem öffentlichen Brief, dass langfristig erfolgreiche Unternehmen einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten müssten. 

Warum unterstützen an kurzfristigen Gewinnen interessierte Aktivisten ESG-Themen? Im Kern handelt es sich um Lobbyismus. Hedgefonds wollen die Indexfonds und andere langfristige Investoren für sich gewinnen. Daher nehmen sie immer häufiger in ihre Kampagnen ESG-Themen auf. Durchaus mit Erfolg: In den Vereinigten Staaten haben seit 2012 etwa 30 Prozent der Indexfonds bei Proxy Fights für den Aktivisten gestimmt – Tendenz steigend.

In Deutschland ist diese Entwicklung noch nicht so ausgeprägt wie in den Vereinigten Staaten. In Amerika können Aktivisten Aktionärsvorschlage für die Umsetzung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen unterbreiten. Findet sich für diese Vorschläge in der Hauptversammlung eine Mehrheit, ist dies zwar für das Board nicht bindend. Ein Nein kann aber für die einzelnen Mitglieder gravierende Konsequenzen haben. Weil in den Vereinigten Staaten die Mitglieder des Board meist jedes Jahr neu gewählt werden, müssen sie bei unzufriedenen Aktionären die Abwahl und damit den Verlust des Jobs fürchten. Stimmrechtsberater wie ISS und Glass Lewis empfehlen Aktionären regelmäßig, nicht für die Bestätigung des Board zu stimmen, wenn diese einen Mehrheitsbeschluss nicht umgesetzt hat. 

Ein solches Druckmittel gibt es in Deutschland nicht. Aktionäre können zwar über öffentliche Kampagnen Druck auf die Geschäftsführung ausüben. Die Hauptversammlung darf aber keine Beschlüsse über die Einstellungspolitik oder über die Veränderung eines Produkts fassen. Gleichwohl werden sich auch deutsche Unternehmen den Forderungen nach nachhaltiger Unternehmenskultur langfristig nicht entziehen können. Deutsche börsennotierte Unternehmen haben teilweise die gleichen Aktionäre wie amerikanische. Kampagnen, die in Amerika erfolgreich waren, werden modifiziert auch hier durchgeführt werden. Hätte Berthold Beitz auf Druck von Aktionären sein Unternehmen aufgespalten?  Nein. Doch jetzt ist es passiert. Wenn als Nebeneffekt auch Nachhaltigkeit gefördert wird, ist das nicht so schlecht. 

BENJAMIN LEYENDECKER / ACHIM HERFS 
Die Autoren sind Partner bei Kirkland & Ellis.